Echinocereus Kulturhybriden Henk P. Ruinaard Kulturhybriden haben schon viele Jahrzehnte lang die Pflanzenfreunde fasziniert. Auch für viele Echinocereenfreunde ist die Verführung groß einen Pinsel anzufassen, wenn sie zwei verschiedene Echinocereen-Arten in Blüte sehen. Bei mir hat es jedenfalls im Jahr 2001 so angefangen … Zuerst war es nur aus Neugierde und zum Spaß, nur um zu bestätigen, dass es möglich ist verschiedene Arten zu kreuzen. Diese ersten Kreuzungen waren erfolgreich und haben damit die Frage aufgeworfen, was innerhalb der Gattung Echinocereus noch weiter möglich ist. In den darauffolgenden Jahren habe ich versucht alles, was gleichzeitig in Blüte war, miteinander zu bestäuben. Das war nicht immer erfolgreich. Aber mehr als 70% meiner Bestäubungen haben Früchte und keimfähige Samen geliefert. Auch ohne meine besondere Hilfe liefern einige meiner Pflanzen mehr und mehr Früchte dank zahlreicher geflügelter Bestäuber wie Bienen und Hummeln. Fortpflanzungssperre Das Vorkommen von Naturhybriden ist beschränkt durch natürliche Fortpflanzungssperren. Martin HABERKORN (2010) hat das wie folgt beschrieben: 1. geografische Sonderung (allopatrisch) 2. Abspaltung von Randpopulationen (parapatrisch) 3. unterschiedliche Blütezeit 4. unterschiedliche Bestäuber 5. Verdoppelung des Chromosomensatzes im gleichen geografischen Gebiet (sympatrisch) 6. sterile Samen und nicht lebensfähige Sämlinge. Im Gewächshaus gibt es die meisten dieser Sperren nicht. Es gibt vor allem keine geografische Sperre im Gewächshaus. Hier stehen Pflanzen von Baja California, Ostmexiko oder Südwest-USA nebeneinander. Auch von Abspaltung von Randpopulationen kann im Gewächshaus keine Rede sein. Unterschiedliche Blütezeiten kann man in Kultur besser beherrschen oder beeinflussen bzw. kompensieren, indem man früher blühende Arten an eine kältere Stelle (in den Schatten) stellt oder die Pollen der früher blühenden Art einfriert. Bestäuber in der Kultur ist immer ein Pinsel oder ein Wattestäbchen, also steht eine Präferenz für Bienen, Hummeln, Kolibris oder Fledermäuse nicht zur Debatte. Verschiedene Chromosomensätze im gleichen geografischen Gebiet kommen in der Natur regelmäßig vor. So wachsen z. B. entlang des Apachetrail in Arizona E. bonkerae subsp. apachensis (diploid) und E. engelmannii subsp. fasciculatus (tetraploïd) im gleichen Gebiet. An vielen Standorten trifft man oft zwei, drei und sogar vier verschiedene Arten von Echinocereen an. Manchmal sind das diploïde und tetraploïde Taxa; z.B. entlang des Interstate 10, westlich von Van Horn in Texas, wachsen E. dasyacanthus (tetraploïd), E. coccineus subsp. transpecosensis (tetraploïd), E. enneacanthus (diploïd) und E. stramineus (tetraploïd) nebeneinander oder in unmittelbarer Nähe. Sperre für die Hybridisierung ist in diesen Fällen die vermutliche Sterilität von triploïden Nachkömmlingen oder die unterschiedliche Blütezeit der einzelnen Arten. Bestäubungen Die vergangenen Jahre (2001 bis 2017) haben mir gezeigt, dass im Prinzip alle Echinocereus-Arten miteinander gekreuzt werden können. Sogar Arten der Sektion Wilcoxia und Morangaya lassen sich mit Arten aus den anderen Echinocereus-Gruppen kreuzen. Anfangs habe ich versucht alles zu kreuzen, was in Blüte war. Damals waren auch die geflügelten Bestäuber noch aktiv. Erst nachdem ich diese natürlichen Bestäuber ausgeschlossen hatte, lieferten meine eigenen Bestäubungen so viele Samenkörner, dass ich diese nicht mehr alle aussäen konnte. Seit 2013 habe ich mich auf das Kopieren von Naturhybriden beschränkt. Zuerst auf die bekannten Naturhybriden wie E. x roetteri, E. x lloydii, E. x neomexicanus und E. engelmannii x canyonensis und im Jahr 2017 auch auf die von Marc Baker präsentierten E. bonkerae x arizonicus und E. fendleri x triglochidiatus. Wenn man sich so intensiv mit Hybriden beschäftigt, ist es unvermeidbar auch diploïde Arten mit tetraploïden Arten zu bestäuben. Das lieferte sehr oft Früchte und reife triploïde Samen (bestätigt durch Ploïdie-Messungen mittels Flowcytometry) und daraus kamen auch triploïde Nachkömmlinge in meine Sammlung. Ab 2007 habe ich begonnen, bewusst triploïde Bestäubungen durchzuführen, mit dem Ziel herauszufinden, ob diese Bestäubungen (und die Keimfähigkeit der Samen) gleich oder weniger erfolgreich sind als diploïde und tetraploïde Befruchtungen. Nach zehn Jahren ist es deutlich, dass es wohl keine Unterschiede gibt hinsichtlich des Erfolges bei Bestäubungen zu diploïden, triploïden und tetraploïden Kreuzungsprodukten (diploïd x diploïd = diploïd; diploïd x tetraploïd = triploïd; tetraploïd x tetraploïd = tetraploïd). In Tabelle 1 ist angegeben, wie viel diploïde, triploïde und tetraploïde Kreuzungen in jedem Jahr gemacht wurden und wie viel Prozent davon erfolgreich waren (Erfolg = Frucht mit reifen Samen). Bei den diploïden und triploïden Resultaten ist der mittlere Erfolg ein Prozentsatz von etwas mehr als 70 %. Für die tetraploïde Gruppe ist er etwas geringer. Möglicherweise spielt es eine Rolle, dass es in der tetraploïden Gruppe viele Arten gibt, welche zweihäusig sind (E. coccineus-Gruppe). Viele Pflanzen aus dieser Gruppe haben männliche Blüten und können deshalb, obwohl ich das oft versucht habe, nicht bestäubt werden (ihre Narbe öffnet sich nicht). Die Tatsache, dass nicht 100 % der Bestäubungen erfolgreich waren, hat wahrscheinlich als Ursache, dass die Pollen oder die Griffel zum Moment der Bestäubung noch nicht reif waren. Erbliche Eigenschaften Bei Kindern fragt man sich immer, zu welchem Elternteil sie die größte Ähnlichkeit haben. Bei Echinocereen kann diese Frage auch gestellt werden. Welche unterschiedlichen Merkmale der Mutterpflanze und Vaterpflanze kommen in der Hybride zum Tragen: Blütenfarbe? Blütengröße? Dornenlänge? Rippenzahl? Körpergröße? Oder Dornenzahl? Im Prinzip ist alles möglich! Mein erstes Ziel war es schönere Blütenfarben zu schaffen, als Zweites größere oder kleinere Blüten und drittens längere Dornen. Wenn ich die Bilder in meinem Fotoalbum anschaue, muss ich daraus schließen, dass es schwer ist eine Präferenz festzustellen. Wie auch bei Menschenkindern ist es bei Echinocereenkindern schwer vorauszusagen, mit welchem Elternteil die Kinder deutlicher übereinstimmen werden. Im Allgemeinen stelle ich fest, dass die unterschiedlichen Merkmale der beiden Elternteile die Neigung haben, alle im Kind mehr oder weniger zurückzukommen. Also sind die Kinder in den meisten Fällen eine Mischung der beiden Elternteile. Zum Beispiel entstehen beim Kreuzen der Blütenfarben Rot und Gelb orange Blüten; Kreuzen von großen Blüten mit kleinen Blüten bringt durchschnittliche Größen hervor und Kreuzen von großen Körpern mit kleinen Körpern resultiert in Körpern von durchschnittlicher Größe. 2007 haben meine ersten Hybriden aus den Jahren 2001 und 2002 zum ersten Mal geblüht. Bislang habe ich schon sehr viele Fotos von ca. 60 verschiedenen Hybriden in Blüte gemacht und jedes Jahr blühen wieder neue Hybriden zum ersten Mal. Fast 50 % dieser blühenden Hybriden sind triploïd. Damit ist deutlich, dass die F1-Generation triploïder Pflanzen gleich gut überlebt und blüht wie die F1-Generation von diploïden oder tetraploïden Hybriden. Gerne möchte ich anhand der Fotos einige Beispiele vornehmlich von triploïden F1-Hybriden präsentieren. F2-Generation Wenn es offensichtlich so gut geht mit der triploïden F1-Generation, lautet die nächste Frage: Ist das auch der Fall in einer triploïden F2-Generation? 2010 habe ich mit der Bestäubung triploïder Pflanzen aus der gleichen Kreuzung angefangen, um eine zweite Ge neration zu erhalten. Wie auch bei der F1-Generation liefern diese Bestäubungen Früchte; aber mit deutlich weniger Samen als in der F1-Kreuzung (zum Beispiel F1: 310-540 Samen/Frucht, F2: 11-40 Samen/Frucht, vergleiche Tabelle 2). Auch die Keimung dieser Samen läuft schlechter als in den F1-Generationen. Die F2-Sämlinge habe ich im Winter 2016/2017 verloren, aber auch alle anderen frischen Sämlinge haben jenen Winter nicht überlebt. Es ist also noch zu früh, um Aussagen über die Stabilität der F2-Generation zu treffen. Sehr auffallend ist es, dass bis heute die Früchte aus den Bestäubungen triploïder F1-Geschwister ein Gemisch von zum Teil sehr wenigen triploïden und vielen tetraploïden Samen oder nur tetraploïde Samen liefern (Tabelle 2). Die neue Aussaat von Samen aus der Ernte von 2017 und neue F2-Bestäubungen im Laufe des Jahres 2018 werden hoffentlich mehr Klarheit zu diesen interessanten Fragestellungen bringen. Literatur