Hypothesen zu Echinocereus rubescens Dams Michael Lange Als ich mich der Sichtung der von Udo Raudonat übernommenen Echinocereen-Archivalien widmete, fand ich insgesamt vier Fotos, die mit dem Hinweis „E. rubescens, Dahlem; Sammlung Specht, UR 1971“ versehen waren. In der zeitgenössischen Literatur wird E. rubescens gewöhnlich als Synonym von E. dasyacanthus (CORBETT 1998) bzw. E. ctenoides (BLUM et al. 1998, FELIX & BAUER 2014) eingeordnet. Der beschreibende Autor Erich DAMS (1905) gibt jedoch an, dass der Ursprung des Namens und vielleicht auch der Pflanze auf Hildmann zurückgehen. Tatsächlich wurde ein diesbezüglicher Katalogausschnitt bereits durch GUTTE (2012: 65) reproduziert, dort wird die Entität rubescens als Unterart von E. papillosus gelistet, jedoch war zu dieser Zeit der Betreiber und Herausgeber Fröhlich inhaltlich für den Katalog verantwortlich. Heinrich Hildmann selbst (bekannt durch Beschreibungen wie Echinocactus grusonii oder Mammillaria schumanniana) gibt 1891 seine Firma in Berlin/Birkenwerder ab (HAAGE 1981: 289) und geht in Ruhestand, ist aber noch 1897 in der DKG aktiv (HIRSCHT 1897: 45). Dennoch kann im Moment der Nachweis für die erste Verwendung des Namens E. papillosus var. rubescens durch Hildmann persönlich nicht erbracht werden. Dams folgt aber 1905 der Hypothese nicht, dass es sich um eine von Hildmann gezüchtete Hy-bride mit E. papillosus-Elternschaft handelt und erhebt deshalb die Katalogbezeichnung im Varietätsrang zum Artnamen (vgl. auch WANGERIN 1905: 263)! Interessant ist auch der Hinweis, dass Dams eine von ihm angefertigte Beschreibung (der Blüte) Prof. Schumann überlassen hat. Da zeitgleich auch ROTHER (1905) Pflanzenmaterial kultiviert, liegt die Annahme nahe, dass die Gärtnerei Hildmann in Birkenwerder der Ursprungsort sein könnte und vielleicht auch Vermehrung in den Botanischen Garten Dahlem gelangte. In der Sammlung Heinz Specht (†), Guben, hat zahlreiches Pflanzenmaterial die Kriegswirren überdauert bzw. wurde solches in der Nachkriegszeit dort wieder zusammengefasst. Somit erscheint mir die Herkunftsangabe „Dahlem“ auf den ca. 45 Jahre alten Fotodokumenten glaubhaft! Nachdem ich nun diese Fotos mit der Abbildung in DAMS (1905) und den zeitgenössischen Angaben verglichen habe, bin ich der Meinung, dass es sich tatsächlich um Hildmann‘sches „Originalmaterial“ handeln könnte. Leider sind keine Vermehrungen davon bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Heinz Specht verstarb in den frühen 1990er-Jahren und war schon bei unserem Kennenlernen stark durch seine Parkinson-Erkrankung gezeichnet. Aufgrund der Tatsache, dass ich mich nun schon intensiv mit Hybriden bei den Echinocereen auseinandergesetzt habe, möchte ich die Einschätzung von Dams nicht vorbehaltlos teilen! Ich halte es für möglich, dass es sich um eine Kulturhybride handelt. Dafür sprechen mehrere Aspekte: • Der Wuchs wird als „locker, rasenförmig“ beschrieben (die zeitgenössische Fotografie/Lectotypus zeigt aber eine Einzelpflanze!). • Hybriden teilen die Eigenschaften ihrer Eltern in der F1-Generation nicht notwendigerweise zu gleichen Teilen. • Die Blütenfarbe ist ein blasses Gelb mit der Tendenz zu grün im Schlund; auch bei E. papillosus sind Klone mit blassen Blüten ohne roten Schlund bekannt, dieser muss also auch nicht zwingend an hybride Nachkommen vererbt werden. Für die Zuordnung des Namens als Synonym bei den texanischen Vorkommen des E. ctenoides, wie sie bei BLUM et al. (1998) und FELIX & BAUER (2014) vollzogen wird, spricht neben der Blüte der rasenbildende Wuchs, der insbesondere bei den Vorkommen in den Chisos Mountains zu beobachten ist. Um den Namen eventuell endgültig zu klären, scheint es mir sinnvoll, die vermutete Kreuzung E. dasyacanthus x papillosus reziprok nachzustellen und die F1-Generation blühend mit den historischen Bilddokumenten abzugleichen.