Orthografie versus Priorität: Zur Nomenklatur von Echinocereus chiso(s)ensis Michael Lange Der Name Echinocereus chisoensis Marshall (1940) wurde vor seiner Publikation vom „Nomenklatur-Komitee“ der `Cactus and Succulent Society of America´ geprüft! So ist es einer diesbezüglichen Note der Erstbeschreibung zu entnehmen. Das Epitheton leitet sich von den `Chisos Mountains´, der Heimat dieser Pflanze im Gebiet des Big Bend National Parks (Texas) ab. L. D. BENSON (1969) kombiniert das Taxon unter der Art E. reichenbachii und verändert die Schreibweise kommentarlos in `chisosensis´. Diese wird in jüngeren Arbeiten von L. D. Benson tradiert und auch von verschiedenen späteren Bearbeitern übernommen. N. P. TAYLOR (1985) folgt dem nicht und kehrt zur ursprünglichen Schreibweise zurück. Im Recovery Plan (U.S. Fish and Wildlife Service 1993: 2) wirddas Vorgehen durch L. D. Benson als inkorrekt bewertet: „Two spellings of the word “chisoensis” have appeared in the literature; “chisoensis” is nomenclaturally correct, as published in Marshall’s original description (Marshall 1940). Apparently, in publishing his treatment of the taxon as a variety of Echinocereus reichenbachii Benson (1969) used the spelling “chisosensis”, in error. This misspelling was subsequently used in Benson’s contributions…“ Sinngemäße Übersetzung: Es sind zwei Schreibweisen des Wortes `chisoensis´ in der Literatur vertreten; `chisoensis´ ist nomenklatorisch korrekt, genau wie es in Marshalls Erstbeschreibung (Marshall 1940) publiziert wurde. Offenbar war die Schreibweise `chisosensis´ ein Schreibfehler, als Benson (1969) seine Einschätzung des Taxons als Varietät zu Echino cereus reichenbachii veröffentlichte. Dieser Schreibfehler wurde später in weiteren Arbeiten Bensons übernommen … Weder ANDERSON (2001) noch ANDERSON/ EGGLI (2005: 193) übernehmen die korrigierte Schreibweise. HUNT et al. (2006: 82) vertreten diese Meinung jedoch nicht. Sie befürworten die orthografische Korrektur und begründen dies, da der Name von den Chisos Mountains fehlerhaft und damit unkorrekt abgeleitet wurde! Der ICBN (2006: 53.4) empfiehlt eine Korrektur, wenn eine Verwechslungsgefahr besteht und zeigt Beispiele, die korrigiert wurden bzw. für die kein Korrekturbedarf besteht. Es gibt allerdings einen weiteren gewichtigen Grund, sich der korrigierten Schreibweise anzuschließen: Dieser heißt Echinocereus chiloensis (Colla) Console & Lemaire (Lemaire 1864), der allerdings kein in Chile wachsender Echinocereus ist. Nein, dies ist nach heutigem Verständnis ein Trichocereus (oder Leucostele). Jedenfalls ist die phonetische Namensähnlichkeit von „chiloensis“ zu „chisoensis“ für deutschsprachige Ohren zwar deutlich, aber dennoch nur ein Buchstabe. Damit besteht immerhin die theoretische Gefahr, dass nach ICBN 53.3 die Beschreibung von Marshall irgendwann als ein jüngeres Homonym bewertet werden könnte und demzufolge zu verwerfen wäre. Da ist es doch eigentlich ein Glück, wenn auch wir zukünftig L. D. Benson undHunt et al. im Einklang mit dem Regelwerk des ICBN folgen können, uns der Korrektur des typografisch „bedenklich“ veröffentlichten Namens `E. chisoensis´ nach E. chisosensis anschließen und so fernerhin die potenzielle Homonymgefahr phonetisch eindeutig durch zwei Buchstaben Unterschied vermeiden!