Kakteensuche beidseits der Grenze (Der englische Originaltext „Search efforts on both sides of the border“ wird im Newsletter bereitgestellt!) Peter Berresford Übersetzung: W. Baues & M. Lange Engelmanns Erstbeschreibung des Cereus ctenoides basiert auf einem Fund Bigelows am Rio Grande bei Eagle Pass (ENGELMANN 1859: 31). Dies ist kein vielversprechender Startpunkt für eine Suche, denn heute haben wir keine Kenntnisse darüber, ob und wo man dort noch auf Echinocereus ctenoides treffen könnte. Der einzige wirklich aufschlußreiche Punkt in der Erstbeschreibung bleibt deshalb, dass C. ctenoides mit Ausnahme der gelben Blüte dem C. pectinatus gleicht [“similar” to C. pectinatus “with the exception of the yellow flowers”]. Diese Blütenfarbe ist wiederum ein Charakterzug den er mit C. dasyacanthus gemeinsam habe. Letzterer wurde beschrieben als Pflanze von ca. 12–30 cm Höhe mit einer dichten Umhüllung aus zahllosen Dornen [“plant 5–12 inches high densely covered with numberless spines”], während C. ctenoides eine Pflanze von nur 5–10 cm Höhe ist, die somit dick in ihrer Proportion bleibt, mit Dornen von 0,2–0,8 cm Länge [“plant 2–4 inches high, thick in proportion; spines 1–4 lines long”]. Meine erste Gelegenheit, solche Pflanzen bei einem Besuch in Texas zu untersuchen, war im März 2000. Diese Chance sah ich gegeben durch einen zuvor publizierten Artikel von HEIL & BRACK (1988), den ich in meine Hände bekam. Im US Journal gaben die beiden Autoren eine Fülle nützlicher Informationen über die Kakteen im Big-Bend-Gebiet in Texas. Dort wurde Echinocereus ctenoides beschrieben als „selten auf den Ebenen der Burro Mesa und Umgebung“. Zu dieser Zeit waren wir ganz hingerissen, denn wir fanden eine schöne Population dieser Pflanzen ohne großen Aufwand (Abb. 1a). All die Pflanzen waren recht alt und viele waren beschädigt, zeigten aber schon wieder Neutrieb, obwohl sie noch ziemlich dünn und dehydriert dastanden. Oftmals waren es 11 oder 12 Köpfe pro Pflanze. Mitteldornen waren nicht die Norm, sofern überhaupt welche vorhanden waren. HEIL & BRACK hatten schon darauf hingewiesen, dass E. dasyacanthus und E. ctenoides sympatrisch vorkommen und dies war sehr offensichtlich. Die letztere Art war größer und durch die Anwendung eines einfachen Tests konnten wir sie gut unterscheiden. Wenn man die bloße Hand um eine Pflanze legt und zufasst, dann erlaubt der E. dasyacanthus nicht, dass man fest drückt, denn seine abstehenden Dornen verhindern dies! Im Gegensatz dazu machen die pektinaten Dornen des E. ctenoides keine Probleme und erlauben einen intensiven Zugriff ohne jede Pein. Weil wir aber schon zuvor auf unserer Reise den E. pectinatus subsp. wenigeri und rötlich blühende E. dasyacanthus gesehen hatten, wollten wir unbedingt auch dem E. ctenoides in Blüte habhaft werden. Und gegen Ende des Tages fanden wir tatsächlich eine Pflanze mit einer sehr großen Knospe. Am nächsten Morgen fuhren wir an jene Stelle zurück und warteten auf das Erblühen. Wir hatten eigentlich nicht so viel Zeit zur Verfügung, denn wir wollten Oro Grande noch bei Tageslicht erreichen, aber endlich tat uns die Pflanze den Gefallen und wir alle konnten schließlich bis zum Mittag die junge schöne Blüte auf unsere Diafilme bannen (Abb. 1b). Als Resultat erhielten wir eine zitronengelbe Blüte mit grünem Schlund auf einer ausgezehrten Pflanze, von der ich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen könnte, ob es nicht doch ein Vertreter des E. dasyacanthus gewesen sein könnte. Es war ziemlich genau 11 Jahre später, als ich wieder in diese Region kam und dieselbe Lokalität erneut aufsuchte. Es war etwas schwieriger, aber ich fand einige der Pflanzen, wie ich sie im Jahr 2000 erlebt hatte, und auch ein oder zwei der vielköpfigen Exemplare waren darunter (Abb. 1c & 1d). Einzelpflanzen blühender E. russanthus waren ebenfalls zu finden. Doch keine Spur von unserer Population konnte nach 2011 wiedergefunden werden! Meine Wege führten mich fort vom Tal zu einigen niedrigen Hügeln, ein Pfad führte mich vorbei an einer großen Population blühender E. dasyacanthus, aber von den E. ctenoides sensu Heil & Brack, sah ich in Texas seither keine einzige Pflanze mehr! In vielerlei Hinsicht sind die Populationen der Echinocereen auf der anderen Seite der Grenze des Big Bend, in Mexiko, interessanter und fordernder. Die dichte Bedornung des E. dasyacanthus in der Sierra del Carmen macht es einfacher, jene Pflanzen von den dort vorkommenden pektinaten Arten zu unterscheiden. Doch wenn man nun nach E. ctenoides sucht, hat man das Problem, diesen vom sehr ähnlich bedornten E. pectinatus subsp. wenigeri unterscheiden zu müssen. Das ist wirklich eine Herausforderung! Die Gewitterstürme des Sommers bringen eine ansehnliche Menge Wasser, welches von den Pflanzen gierig aufgesogen wird. Die sukkulenten Körper schwellen an und gerade durch diese gewaltigen Körpermaße fällt die Unterscheidung schwer. Deshalb wird man für ein reelles Bestimmungsergebnis sinnvollerweise auf die Unterscheidungsmerkmale zurückgreifen, welche schon Engelmann durch die Nennung der Blütenfarben formuliert hat: E. pectinatus mit rosa-magenta Blüten versus E. ctenoides mit gelblichen Blüten. Vor 2015 fanden alle meine Besuche in der Sierra del Carmen spät im März oder in den ersten Tagen des April statt. Das ist für viele Kakteen eine gute Reisezeit jedoch nicht, wenn man die Blüte unserer pektinaten Freunde sehen will. Zu einer Gelegenheit besuchte ich die Gegend im Juni und da konnte ich die Früchte beobachten. So war es zur Zeit der frühen Regengüsse etwa Mitte April 2015 das erste Mal, dass ich die pektinaten Bewohner dieser Berge in Blüte antreffen konnte. Ich besuchte verschiedene Populationen, aber alle spiegelten dieselben Charakterzüge von dem, was ich von jeher als E. pectinatus subsp. wenigeri identifiziert hatte (Abb. 3a). Mit einer Ausnahme! Die stand ein wenig abseits an der Flanke eines flachen Hügels (Abb. 2a). Ich kenne Fotografien von E. ctenoides in Blüte und ähnlich der Blüte des E. dasyacanthus kann sie variieren zwischen dottergelb zu goldfarben oder orange bzw. rosa und hellrot. Also glaubte ich, als ich eine rötlich blühende pektinate Pflanze sah, dass dieses ein E. ctenoides sein müsste (vgl. BERRESFORD 2016: 98 Abb. 9). Zwischenzeitlich wurde festgestellt, dass die Staubbeutel dieser Pflanze aussehen, als ob sie keinen Pollen produzieren können (Abb. 2b). Konsequenterweise vermute ich heute in der Pflanze eine Hybride zwischen E. pectinatus subsp. wenigeri vermutlich mit E. dasyacanthus als Kreuzungspartner. Meine Suche ist somit wohl noch nicht beendet! Quellen: siehe Anhang